Erinnerungen an Schulzenhof

Fritz Speckmann
Erinnerungen an Schulzenhof
alte Postkarte
Diese Postkarte von 1926 zeigt die wichtigsten Gebäude in Obehlischken:
Geschäfts- und Gasthaus Engelke, Kriegerdenkmal, Kirche und Auxinnebrücke.


Erinnerungen an Schulzenhof/Obehlischken

von Fritz Speckmann
1. Auflage, Herne 1992
Ich danke allen, die mit Worten, Texten oder Fotos
zum Entstehen dieser Schrift beigetragen haben.


Erinnerungen an Schulzenhof

INHALT

Bei uns Zuhause.................................1
Aus der Vorgeschichte - Daten, Fakten...........2
Verkehrsanbindung...............................4
Wegeführung und Bebauung........................4
Strom- und Wasserversorgung.....................8
Unsere Feuerwehr................................9
Gemeinde- und Amtsverwaltung....................9
Am Ort vorhandene Dienstleistungen.............10
Die Post.......................................11
Die Volksschule................................11
Kirchturmperspektiven - Orgel..................13
Kultur auf kleiner Flamme......................14
Die ev. Kirchengemeinde........................14
Unsere Kirche - Lage und Aufbau................15
Der Kriegerverein (Kyffhäuserbund).............16
Das Kriegerdenkmal.............................17
Der Kirchhofsberg - TP und Kiesgrube...........19
Die Kirche - Innenausstattung und Orgel........20
Christliches Leben - Die besonderen Festtage...21
Wintersport in Schulzenhof.....................22
Lageplan Schulzenhof und Umgebung...........23/24
Arbeitsleben im Winter.........................25
Milchwirtschaft................................25
Vorratswirtschaft für den täglichen Bedarf.....26
Einkaufsmöglichkeiten..........................26
Trakehner in Schulzenhof.......................27
Der Gasthof Ohlenberg - Mittelpunkt des Ortes..27
Arbeitsleben - Gewerbe.........................28
Landwirtschaft.................................29
Der Wald als Energielieferant..................29
Brennholzbevorratung...........................30
Hausschlachtung................................31
Die Auxinne - Urstromtal und Bleichwiesen......32
Fischfang in der Auxinne.......................32
Jagd und Wild..................................35
Der Sportverein Obehlischken...................36
Besonderheiten am Rande........................37
Ostpreußisches Brauchtum.......................39
Ein grausames Ende.............................45
Nemmersdorf 1944...............................45
Weihnachten 1944 - Neujahr 1945................45
Die russische Offensive........................46
Flucht mit der Reichsbahn......................46
Flucht mit dem Treck...........................46
Flucht zu Fuß..................................47
Realität und vages Hoffen......................47


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Wir sagten damals nicht „Aufwiedersehn" -
wie dürfte Treibholz je auf Heimkehr hoffen! -
Wir ließen Tür und Tor sperrangeloffen
und alle Schränke unverschlossen stehn.

Wir blickten nicht zurück durchs Dämmergraun.
Fremd lag im Frost das Land, durch das wir treckten.
Vielleicht, daß sich die Birken höher reckten
am Gartengraben, um uns nachzuschaun.

Vielleicht bot unser Giebel unverwandt
dem Schneesturm Trotz, - ihr wißt schon was ich meine
Bei uns zuhause reden auch die Steine,
und reden deutsch. Denn Steine halten stand.

Das Damals starb. Wir haben uns gefügt,
erwarben wieder, was allhier erwerblich.
Und doch, glaubt mir: Geliebtes bleibt unversterblich.
wenn man sich nicht schalem Trost begnügt.

Jahrzehnte sterben. Nächte nahn und gehn.
Bei uns zuhause reden auch die Bäume -
ich hör sie deutlich, - glaubt nicht daß ich träume -
sie sagen immerzu: „Aufwiedersehn"

Gertrud von den Brincken

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Aus der Vorgeschichte - Daten - Fakten

Schulzenhof-Obehlischken, Kreis Insterburg, Regie- rungsbezirk Gumbinnen, Provinz Ostpreußen gehörte zu dem alten Preußengau Nadrauen. Schon zur Ordenszeit - Anfang des 13. Jahrhunderts - siedelte man an den Flußläufen, z.B. an den Ufern des Pregel und der Auxinne. Hier entstanden Wehrbauten und Fliehburgen. Reste solcher Anlagen in Schloßberg und Eichenstein, unmittelbar an der Auxinne (Goldfließ) gelegen, zeugen noch bis in unsere Tage davon.

Romanuppen (Ruppen) dagegen, bis weiter nach Auxkallen (Friedensfelde) blieb altpreußischer Sied- lungskern. Die Bevölkerung lebte angepaßt, entsprechend den Weisungen der neuen Herren.

Während um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Besiedlung durch Freie und Bauern im Raum Norkitten, Mangarben, Worpillen, Schloßberg, Wiepeninken und Schwägerau - also entlang des Pregel - Fortschritte machte, blieb der altpreußische Siedlungsraum um Romanuppen, Auxkallen, entlang der Auxinne, von dieser Entwicklung unberührt.

1525, durch den Frieden von Krakau (Ewiger Frieden), wurde Preußen ein weltliches Herzogtum (Reformation). Die Ordenskomtureien wurden in Amts- hauptmannschaften umgewandelt. Herzog Albrecht teilte das Land in drei Kreise: Den Oberländischen, den Natangischen und den Samländischen. Letzterer bestand aus mehreren Hauptämtern, von denen Insterburg das größte war.

Johann Pein, ein Getreuer des Herzogs, erhielt am 24. Juni 1525 seine Bestallungsurkunde als Amts- hauptmann. Er teilte das Hauptamt Insterburg in 13 Schulzenämter ein.

Den späteren Kreis Insterburg bildeten hingegen nur drei Schulzenämter: Das Lolesche (am Ostufer der Inster), das Gregersche (um den Zusammenfluß von Angerapp und Rominte) und schließlich das Mattheesche, welches von der Auxinne und ihren Nebenbächen durchflossen wird. Die Schulzen wohnten in ihren Bezirken - Schulz Matthee in Obehlischken. Diese Amtssitznahme lieferte

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später (im Jahre 1938) den Grund zu der Umbenennung in Schulzenhof.

Uszbunzen, Worpillen (Eichenstein), Kumpchen, Auxkallen (Friedensfelde), Platenischken (Rehfeld), Jänischken (Jänichen), Pabbeln (Amwalde), Kohlischken (Hutmühle) sowie der Raum bis zum heutigen Kreis Gerdauen gehörten dazu.

Später kamen südlich von Obehlischken durch die Ansiedlung von Neusassen Orte wie Grabowen (Roßweiden), Kepurren (Kranichfelde), Matheninken (Mattenau), im Jahre 1613 Wittgirren sowie 1622 Eszeratschen (Eschenhang) hinzu.

Um 1700 war die Erschließung des Siedlungsgebietes unserer näheren Heimat durch die Rodung von Waldgebieten abgeschlossen. Die Pest entvölkerte in den Jahren 1709 und 1710 das Land. Der litauische Einfluß in der Bevölkerungsstruktur erlischt fast völlig.

König Friedrich Wilhelm I. (1713 - 1740) und Kronprinz Friedrich (1740 - 1786) - später Friedrich der Große - riefen Bauern, Handwerker und Kaufleute aus allen Teilen Deutschlands in das menschenleere Gebiet. So siedelten Salzburger, Hugenotten aus Frankreich, Holländer (Mennoniten), um nur einige zu nennen, in unserer Heimat.

Meist handelte es sich hierbei um Menschen, die wegen ihres Glaubens in Not und Bedrängnis geraten waren und die deshalb die Vertreibung aus ihrer Heimat in Kauf nahmen.

Eine Volkszählung, durchgeführt am 2. Dezember des Jahres 1895, machte folgende Zahlen aktenkundig: Obehlischken war 438,6 ha groß. Es wohnten dort 375 Personen, davon 174 Männer. Alle Bewohner waren evangelisch.

Mehr als drei Jahrzehnte später - nämlich am 1. September 1931 - zählten zu den 350 Einwohnern, da- runter 165 männlichen Geschlechts auch zwei Katholiken. Die Fläche Obehlischkens betrug nahezu gleichbleibend 439,7 ha.

1945 lebten im mittlerweile in Schulzenhof umbenannten Gemeinwesen rund 400 Menschen.

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Verkehrsanbindung

Der Ort lag an einer fest ausgebauten Landstraßemit Sommerweg. Die Straße war zu beiden Seiten durchLindenbäume begrenzt, welche den Passanten im Sommerwohltuenden Schatten spendeten. Für ausreichende Entwässerung sorgten parallel zur Straße verlaufende Chausseegräben. Beginnend an der Reichsstraße l bei Staatshausen führte sie über Schulzenhof. Scheunenort, Eschenhang vorbei am Bahnhof Mattenau über Amwalde,Jänichen, Dittlacken nach Insterburg.

Wollte man verreisen, so ging oder fuhr man zum Bahnhof Waldhausen (Bahnstrecke Königsberg - Insterburg - Eydkau) oder zum Bahnhof Mattenau an der Bahnstrecke Insterburg - Gerdauen - Korschen. Beide Bahnhöfe lagen etwa fünf Kilometer von Schulzenhof entfernt, waren also zu Fuß in etwa einer Stunde zu erreichen. Circa sieben Kilometer entfernt war Norkitten die Station für Zielorte in Richtung Königsberg.

Direkte Fahrmöglichkeiten, um in die zwanzig Kilometer entfernt liegende Kreisstadt zu gelangen, waren in begrenzter Zahl durch das Postauto gegeben. Wer mitfahren wollte, mußte sich jedoch zuvor anmelden.

Ab 1937 existierte eine direkte Omnibusverbindung von Schulzenhof nach Insterburg mit Zwischenaufenthalten an verschiedenen Stationen. Die Linie wurde morgens und mittags in Richtung Insterburg und zurück befahren. Busfahrer Hermann Lollies wohnte im Kreishaus, wo auch der Bus stationiert war. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde die Linie eingestellt. Die Reise in die Kreisstadt dauerte mit der Bahn (einschließlich Fußmarsch zum Bahnhof) etwa 90 Minuten. Das Postauto benötigte - selbst wenn es flott voranging - die gleiche Zeit.

Wegeführung und Bebauung

Kam man von der Auxinnebrücke - also ausnördlicher Richtung - in den Ort hinein, so zweigte zurrechten Hand der Landweg nach Sittenfelde ab. Hierbegann die Bebauung des neuen Ortsteils. Der Kreis Insterburg hatte hier zu Beginn der 20er Jahre

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Die Auxinnebrücke - beliebtes Fotomotiv.

zweigeschossige Mehrfamilienhäuser in (für die damaligen Verhältnisse) moderner Ausführung errichten lassen.

Die Häuser waren durch einen nur für den Anliegerverkehr bestimmten Weg zu erreichen. Zwischen diesem Anliegerweg und der Chaussee hatten die Bewohner ihre Gemüsegärten. Hinter den Wohnhäusern war für jede Mietpartei ein Stall zur Kleinviehhaltung vorgesehen. Dort befanden sich auch die Toiletten.

Ging man die Chaussee weiter in südlicher Richtung, so mündete nach etwa 300 Metern zur Linken der Kirchensteig in die Chaussee. Hier begann nun die eigentliche Bebauung des alten Dorfes. Der Kirchensteig war ein aus Großpflaster hergestellter, etwa ein Meter breiter Fußweg, mit einem parallel dazu verlaufenden unbefestigten Landweg. Er endete in dieser Ausführung an der Volksschule.

Die Schule war ein massiver, zweigeschossiger Backsteinbau mit Pfannendach. Im Erdgeschoß befanden sich zwei Klassenräume sowie die Wohnung des l, Lehrers. Die Lehrerwohnung und die 1. Klasse waren durch einen gemeinsamen Flur zu begehen, während die 2. Klasse - ein

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späterer Anbau - einen separaten Eingang mit eigener.Treppenanlage aufwies.

Im Obergeschoß befanden sich zusätzliche Wohnräume sowie Aufbewahrungsmöglichkeiten für Lehrmittel und Schulinventar. Auf dem großangelegten Hof standen ein massiver Vieh-, Schweine- und Geflügelstall sowie die Toilettenanlagen für Schüler und Lehrer. Eine Pumpe deckte den Bedarf an Trink- und Brauchwasser. Das gesamte Areal wurde komplettiert durch rund drei Hektar Acker- und Weideland.

In späteren Jahren wurden die zur Schule gehörigen Ländereien von den Lehrern nicht mehr selbst bewirtschaftet sondern fremdverpachtet. Als Pachtzins wurden zumeist Naturalien vom Ertrag der Flächen vereinbart.

Ein Turn- und Spielplatz mit Reck und Barren war außerhalb des Schulhofes angelegt.

Am Turn- und Spielplatz begann - im Halbkreis um den Schulgarten geführt - die Ziegengasse, eine ebenfalls in Großpflaster hergestellte Straße, die schließlich wieder in die Chaussee eingebunden war.

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Die Hofstelle der Eheleute Ida und Gustav Schebsdät - von der oberen Dorfstraße aus gesehen.

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Der Kirchensteig führte in seiner Verlängerung über einen Dorfanger ins Tal der Auxinne. Der Fußgänger gelangte zunächst zum Vorwerk Rupperi und nach Überquerung der Auxinne über Görschenwalde zur Bahnstation Waldhausen. Naturfreunde hatten an dieser Strecke mit ihrer reichen Vegetation, sowie einer vielgestaltigen Wild- und Vogelwelt viel .

Von dem bereits erwähnten Halbkreis der Ziegengasse führte die sogenannte Trift, ein Im Gelände um etwa einen Meter vertieft eingelagerter Landweg mit Böschungen, in südlicher Richtung zur oberen Dorfstraße. Letztere war ebenfalls gepflastert und hatte Chausseeanbindung.

Die geschlossene Bebauung des Dorfes (Haufendorf) wurde von Kirchensteig, der Trift, der oberen Dorfstraße sowie der Chaussee selbst begrenzt. Im Ortskern dominierten ein- bis zweigeschossige Wohnhäuser in massiver Putzbauausführung mit zum Teil ausgebauten< >Dachgeschossen. Das ostpreußische, im Winter recht rauhe und kalte Klima erforderte eine entsprechende solide Bauweise.

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Hofstelle Schebsdat: Innenhof mit Holzvorrat - rechts das Stallgebäude mit Stroheindeckung.

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Die Fenster waren meist als Kastendoppelfenster gefertigt. Die Bedachung bestand aus Stülpschalung und Hohlpfannen auf entsprechender Lattung (Ostpreußisches Pfannendach). Unter jeder Pfannenreihe wohnte eine Sperlingsfamilie. Um 1940 müssen noch drei Häuser mit Stroheindeckung vorhanden gewesen sein.

Kachelöfen und Küchenherde waren in jedem Haus fest eingebaut.

Strom- und Wasserversorgung

Seit 1924 waren die meisten Häuser mit elektrischer Energie versorgt. Der Strom floß über eine. Freileitung zum Transformatorenhaus, welches im Garten des Altsltzers Perrey an der Ziegengasse stand, und wurde von hier - ebenfalls über Freileitungen - an die einzelnen Abnehmer im Dorf verteilt.

Während die privaten Haushalte Strom in der Hauptsache für die Beleuchtung nutzten, taten sich in den landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben ungeahnte Möglichkeiten zur Arbeitserleichterung durch die Nutzung dieser modernen Energie auf: So verdrängte der Elektromotor das bis dahin gebräuchliche Göbelwerk, den Dieselmotor, die Dampfmaschine und den Blasebalg in der Schmiede.

Die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser wurde aus Brunnen und Pumpen - entsprechend den Bedürfnissen der Grundeigentümer - gesichert.

Ein flächendeckendes Druckwasserleitungssystem gab es nicht. Lediglich dort, wo es größeren Wasserbedarf gab, waren vereinzelt Wasserleitungen installiert.

Die Fußböden der Wohnungen bestanden aus Hobeldielen bzw. aus Steinzeugfliesen oder Betonestrich in den Küchen und Fluren. Zu jedem Wohnhaus gehörte selbstverständlich auch ein Stall für die Tiere, die im ländlichen Wohnen nicht fehlen durften.

Landwirtschaftliche und gewerbliche Betriebe hatten zusätzlich - entsprechend ihrem Bedarf - Werkstätten, Vieh- und Pferdeställe sowie Scheunen und Remisen erbaut.

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Unsere Feuerwehr

Dort, wo die Ziegengasse in die Chaussee eingebunden war, stand das Spritzenhaus mit Kiewenschauer und Schlauchtrockenturm. Diese Baulichkeiten gehörten der Gemeinde. Im Spritzenhaus, einem massiven Putzbau mit Pfannendach, war die doppelt wirkende Saug- und Druckspritze für die Brandbekämpfung untergebracht. Die gesamte Pumpentechnik war auf einem vierrädrigen Wagen montiert, der zusätzlich Schläuche und Werkzeug, sowie die Löschmannschaft im Einsatzfall transportieren konnte.

Rückte die Wehr zum Einsatz in einem benachbarten Ort aus, diente der alte Studebaker von Bürgermeister Adolf Speckmann als Mannschaftstransportwagen. Wichtigster Mann in der Brandbekämpfung war der Nachtwächter: Er mußte das Feuer orten und mit der Tute so- lange blasen, bis das ganze Dorf wach war. Die Männer der Freiwilligen Feuerwehr eilten dann zum Spritzenhaus. Waren keine Spanndienste zur Stelle, wurde die Spritze von den Männern selbst geschoben.

Das Wasser für die Löscharbeiten wurde - bei fehlenden Druckwasserleitungen - mittels Kiewen (große Holzfässer auf Kufen) zum Brandort gefahren. Dies war hingegen der Ausnahmefall - gab es doch an verschiedenen Stellen der Gemeinde Teiche, die das ganze Jahr über Wasser hielten und sonst höchst unterschiedlich - gelegentlich auch nur als Viehtränken oder von Enten und Gänsen genutzt wurden. Es ist zu vermuten, daß die Anlage dieser Teiche eine bauaufsichtliche Maßnahme war, um im Brandfalle über das erforderliche Löschwasser verfügen zu können. Der Schmiedemeister Jetzkowitz war, was die Feuerwehr anbetraf, sehr engagiert - ansonsten war jeder Bürger verpflichtet, im Brandfalle Hilfe zu leisten.

Gemeinde- und Amtsverwaltung

Amtsgeschäfte konnten in der Gemeindeverwaltung von Schulzenhof - bis 1942 bei Bürgermeister Adolf Speckmann, danach bis 1945 bei Bürgermeister Gustav Ohlenberg, der auch das Standesamt innehatte - erledigt werden.

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Der letzte Amtsvorsteher, nach Fritz Kairis (Kumpchen), war Emil Elxnat, der seinen Wohnsitz in Scheunenort hatte. Der Gendarmerieposten war durch den Oberwachtmeister Paul Bahra besetzt, später, während des Krieges durch Wachtmeister Palaschke, der im Gasthof Ohlenberg wohnte.

Für erweiterte Amtsgeschäfte war das Landratsamt in Insterburg zuständig. Die Gerichtsbarkeit residierte im Insterburger Amtsgericht. Hier wurden auch Grundbuch und Kataster geführt. In der Luisenstraße der Kreisstadt hatte die Landkrankenkasse ihren Sitz.

Am Ort vorhandene Dienstleistungen

Schulzenhof war als Kirchdorf mit Pfarramt der Mittelpunkt für die umliegenden Orte (Kumpchen, Görschenwalde, Kuppen, Friedensfelde, Wittgirrn, Mitenwalde, Mattenau, Eschenhang, Scheunenort, Saubucht, Kirschland und Sittenfelde). Zuständig war Schulzenhof auch für die in deren Bereich liegenden Ausbauten, Vorwerk und die Liegenschaften der staatlichen Forstverwaltung.

Die Gemeinde war landwirtschaftlich strukturiert, aber auch mit den dazugehörigen Dienstleistungen im kaufmännischen wie im gewerblichen Bereich bestens versorgt.

Die medizinische Versorgung der Bevölkerung hatte Gemeindeschwester Anna in Zusammenarbeit mit den beiden Norkitter Ärzten Dr. Gelleschun und Dr. Skibbe fest in der Hand. Schwerwiegende Fälle wurden zur Behandlung in das Kreiskrankenhaus nach Insterburg überwiesen. Doch das kam äußerst selten vor.

Frau Hoffmann war als Hebamme für den gesunden Nachwuchs zuständig, was bei jedem Wetter und vor allem im Winter oft sehr schwierigen Wegeverhältnissen nicht immer einfach war. Trotzdem war die Hausentbindung allgemein üblich.

Einfache Arzneien wie Riechfläschchen. Mittel zum Einreihen oder Gesundheitstees hielt Elsbeth Pohl in ihrer Drogerie für den Notfall bereit.

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Die Post

Posthalterin war Ida Schebsdat. Als Postschaffner war Max Broscheit auch i'ur die Postzustellung im Bereich Kirschland und Sittenfelde zuständig. Im Ort Schulzenhof selbst geschah die Postzustellung durch vielfach wech- selnde Aushilfen oder Selbstabholung

Dies galt in besonderem Maße für den Zei- tungsdienst. Das Abholen von Post oder Zeitungen am Abend war für uns Kinder immer ein besonderes Ereignis: Im Winter, wenn es früh dunkel wurde, traf sich das junge Volk an der Post. Die Zeit bis zum Eintreffen des Postau- tos, welches von Insterburg über Waldhausen, Schwägerau, Staatshausen nach Schulzenhof kam, bot Gelegenheit, über die Schule oder sonstige Ereignisse im Dorf zu sprechen. Bei genügender Beteiligung wurden auch Laufspiele gemacht.

War dann der Augenblick gekommen und die Ladetür am Frachtraum des Postautos geöffnet, wurden die Säcke und Pakete erst in die Poststube geschleppt. Selbst dann dauerte es noch eine ganze Weile, bis die Sendungen zur Ausgabe sortiert waren und der kleine Schalter im höl- zernen Fluranbau geöffnet wurde. Der Reihe nach gab es dann die Zeitung, einen Brief und auch Pakete. Eine Legitimation war nicht nötig - die Abholer bekannt.

Die meistgelesene Zeitung war die "Ostdeutsche Volkszeitung", außerdem gab es noch das "Ostpreußische Tageblatt". Als Wochenblatt für Landwirte war die "Georgine" am bekanntesten.

Die Volksschule

Wichtigste Institution in Schulzenhof war wohl die Schule. Keiner wollte, alle mußten vom sechsten bis zum 14. Lebensjahr die zweiklassige Volksschule besuchen. Wer einen höheren Bildungsgrad anstrebte, mußte das bedauerliche Los eines Fahrschülers in Kauf nehmen oder seinen Aufenthalt für die Dauer der Schulzeit ganz nach Insterburg verlegen.

Als Garanten für ausreichende Bildung sind mir die Namen Präzentor Wojahn und der Lehrer Sakowski, Conrad, Hoffmann, Fräulein Kreutz, Senczek, Frau Haak und

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Hermann Pliquett in Erinnerung. Damals wurde unterrichtet in den Fächern Religion, Rechnen, Raumlehre, Geschichte, Erdkunde, Naturkunde, Schrift, Zeichnen, Musik, Leibesübungen und Werken. All dies geschah in der kleinen und großen Schule - wie wir so zu sagen pflegten (kleine Schule: 6. bis 9. Lebensjahr, große Schule 10. bis 14. Lebensjahr). Es erscheint heute kaum vorstellbar, daß eine Lehrkraft vier Jahrgänge zur selben Zeit in einem einzigen Klassenraum unterrichtete.

Weitere schulische Interna aus der Schulzenhofer Volksschule berichtet uns an dieser Stelle Lehrer Oscar Conrad:

Im Mai 1935 wurde ich auftragsweise nach dem Weggang des bis dahin tätigen Kollegen Emil Wojahn in die Stelle des 1. Lehrers eingewiesen. Es war eine Präzentorenstelle, mit welcher auch das Amt des Organisten in der Kirche verbunden war.- Als Präzentor hatte ich die Aufgaben der Schulverwaltung wahrzunehmen. Damit war die Anforderung von Unterrichtsmaterial, das Erstellen von Meldungen sowie die Anfertigung von Statistiken verbunden. Während meiner Dienstzeit dort

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Eines der letzten Klassenfotos, aufgenommen im Jahre 1940 - hinten Lehrer Hermann Pliquett.

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mußten wir einen außergewöhnlich großen Schülerzugang registrieren und eine dritte Klasse einrichten. Die Schüler wurden wie folgt aufgeteilt: kleine Klasse 1. bis 2. Schuljahr, mittlere Klasse 3. bis 4. Schuljahr und große Klasse 5. bis 8. Schuljahr.

Damit waren die Bedingungen für eine Hauptschule erfüllt. Wegen fehlender Dienstjahre mußte ich die Stelle des Hauptlehrers freimachen. Meine Versetzung nach Staatshausen wurde notgedrungen erforderlich.

Hermann Senczek aus Fesseln übernahm fortan die Hauptlehrerstelle in Schulzenhof, Alfred Sakowski unterrichtete weiterhin das 3. und 4. Schuljahr. Die kleine Klasse erhielt Katharina Kreutz, die in den oberen Klassen auch den Zeichenunterricht erteilte.

Das Fach Handarbeit wurde eine Zeitlang von meiner Frau übernommen, später von Frau Wilfert, einer Handarbeitslehrerin aus Insterburg, unterrichtet. Aufgrund abnehmender Schülerzahlen mußte das Experiment Hauptschule Schulzenhof wieder eingestellt werden: Das Personenkarussell begann sich erneut zu drehen.

Im Schuljahr 1937/38 wurde die Hauptschule wieder in eine zweiklassige Volksschule umgewandelt. Hermann Senczek ging als Hauptlehrer an die dreiklassige Volksschule nach Norkitten, Kollege Sakowski ließ sich in den Kreis Angerburg versetzen.

Da das Organistenamt in Schulzenhof jetzt verwaist war, bekam ich zum 1. April 1938 meine Versetzung zurück nach Schulzenhof, um die 2. Lehrerstelle zu übernehmen. Im Jahre 1939 beendete ich meine Lehrertätigkeit in Schulzenhof für immer durch die Einberufung zur Wehrmacht.

Hermann Pliquett wurde aus Karalene nach Schulzenhof versetzt und konnte bis 1945 den Schulbetrieb mit Junglehrern und Aushilfskräften aufrecht erhalten.


Soweit der Bericht von Lehrer Oscar Conrad

Kirchturmperspektiven - Orgel

Wie Lehrer Conrad schon dargelegt hat, war das Amt des 1. Lehrers in Schulzenhof mit dem Organistenamt in der Kirchengemeinde verbunden. Meistens freitags oder am Sonnabendnachmittag waren Übungsstunden an der Orgel in der Kirche angesagt. Dabei wurde der musikalische Teil des

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Sonntagsgottesdienstes durchgespielt. Die nötige Luft für das Orgelspiel wurde mit einem großen Blasebalg im Kirchturm erzeugt. Dies geschah durch Auf- und Abbewegen zweier Pedale und Treten in stehender Haltung, wozu zwei große, kräftige Jungen erforderlich waren.

Blieb die Luft an der Orgel weg, weil die Balgentreter traumversunken die Welt aus der Kirchturmperspektive betrachteten, gab es von der Orgel her das berühmte Klingelzeichen. Schnell wurde dann der nötige Luftdruck, der die Orgelpfeifen zum Tönen brachte, wiederhergestellt. Eine Ermahnung zur Wachsamkeit bei dieser Arbeit war im Anschluß an die Probe fällig.

Kultur auf kleiner Flamme

Durch die Ämterverquickung (Lehrer - Organist) war es guter Brauch geworden, daß die Schüler an besonderen kirchlichen Festtagen durch Liedbeiträge an der Gestaltung der Gottesdienste mitwirkten. Das Einstudieren solcher Beiträge fand nicht nur in der Schule statt: Es wurde auch nachmittags in der Kirche geprobt.

In der Vorweihnachtszeit veranstalteten die Schüler Elternabende im Saa' der Gaststätte Ohlenberg. Zum Programm gehörten Theaterspiel, Gedicht- und Gesangsvorträge, die allesamt außerhalb der Schule eingeübt wurden. - Kultur "auf kleiner Flamme" zwar, aber so war es keinesfalls langweilig in Schulzenhof, jedenfalls nicht für diejenigen, die aktiv mitmachten.

Die ev. Kirchengemeinde

Als letzter Pfarrer - nach Pfarrer Rösenberg - versah Richard Warszas mit seiner Frau den Dienst in der Kirchengemeinde, zu der auch die umliegenden Ortschaften nebst Ausbauten, wie bereits beschrieben, gehörten.

Am Sonntagvormittag fand regelmäßig ein Gottesdienst mit anschließendem Kindergottesdienst statt. Nachmittags versammelten sich 14tägig im Wechsel Frauen und Jugendgruppen zur Bibelarbeit im Gemeindesaal des Pfarrhauses. Katechumenen- und Konfirmanden-Unterricht wurde wöchentlich getrennt, an jeweils zwei Werktagen im Anschluß an den Schulunterricht im Gemeindesaal erteilt.

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Kinder der Sonntagsschule in Kumpchen.

Bei Erkrankung des Pfarrers, insbesondere während der Inhaftierung durch die Gestapo, wurde er von Lehrer Conrad vertreten. Neben Beerdigungen und Nottaufen vollzog dieser auch Lesegottesdienste.

Neben der evangelisch-lutherischen Kirche gab es noch Landeskirchliche Gemeinschaft (Evert) und die Baptisten (Pipereit - Tornsdorf). Auch sie trafen sich in regelmäßigen Versammlungen und Sonntagsschulen.

Das Küsteramt versahen die Eheleute Bodenbinder. Sie brachten die Kirchenglocken nicht nur zu den Gottesdiensten, sondern auch zu besonderen Anlässen - wie Todesfällen in der Gemeinde - zum Klingen.

Unsere Kirche - Lage und Aufbau

Die Kirche selbst war ein schlichter, im 19. Jahrhundert aus rotem Backstein errichteter Sakralbau. Das Dach bestand aus mehreren Holzbinderkonstruktionen mit roter Ziegeleindeckung. Der quadratische Turmbau hatte vier Spitzgiebel, worauf sich die rautenförmigen, mit

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Die evangelische Kirche in Schulzenhof aus südlicher Richtung, etwa im Herbst 1938 aufgenommen.

Schiefer eingedeckten Dachflächen legten. Ein schlichtes Turmkreuz bildete den Abschluß.

In Höhe des Glockenstuhls waren drei Schallöffnungen nach Norden, Süden und Osten angeordnet. Die Spitzgiebel besaßen jeweils zwei Fenster. Die Zufahrt zum Kirchenportal bildete ein gepflasterter Weg, der einen Halbkreis beschrieb und die Chaussee als Basis oder Durchmesser hatte. Hier hatte der Kriegerverein (Kyffhäuserbund) zur Erinnerung an die Gefallenen aus dem 1. Weltkrieg ein Denkmal errichten lassen.

Der Kriegerverein (Kyffhäuserbund)

Der Kriegerverein war eine Vereinigung ehemaliger Soldaten und Frontkämpfer, die sich der Bewahrung soldatischer Traditionen und dem.' Andenken der für das Vaterland Gefallenen verpflichtet sah. Daneben waren die Pflege des Gemeingeistes, der Kameradschaft und Geselligkeit ihr satzungsgemäßer Auftrag.

Die Mitglieder trafen sich zum Schießen in Brassats Schleitass (bewaldete Schlucht mit einem Rinnsal an der Grenze zwischen Schulzenhof und Ruppen unweit der

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Dorfjugend an der Schaukel in Ruppen.

Auxinne - den Jüngeren als Platz bekannt, an dem jährlich eine große Schaukel aus jungen Birken gebaut wurde).

1937/38 führten sie Fahrten nach Kassel und zum Kyffhäuser im Norden des Thüringer Berglandes durch. Das Jahresfest (Schrumm) fand wiederum im Saal bei Ohlenberg statt

Das Kriegerdenkmal

1. Vorsitzender der Kyffhäuser war Robert Brassat aus Scheunenort, auf dessen Initiative hin das zuvor erwähnte Denkmal errichtet worden war. Ein Sohn des 1. Vorsitzenden, Gerhard Brassat (heute 81) erinnert sich:

Der Weltkrieg 1914 bis 1918 hatte auch im Kirchspiel Schulzenhof/Obehlischken unter den wehrfähigen Männern große Lücken hinterlassen. Väter und Söhne waren aus dem großen vaterländischen Krieg nicht heimgekehrt. Ihr Grab lag irgendwo im Feindesland. Es zu schmücken, mußte den Angehörigen versagt bleiben. Als Mahnung zum Frieden und zum steten Gedenken an die

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Gefallenen wurde eine Stätte der Erinnerung und des Gedenkens geschaffen.

Das eigentliche Denkmal war auf einem dreistufigen Postament errichtet. Es bestand aus einem freistehenden, sich in der Höhe verjüngenden, quadratischen Granitblock, auf welchem an allen vier Seiten rechteckige, schwarze Marmortafeln befestigt waren.

Auf der Tafel zur Chaussee stand folgender Text in Goldgravur zu lesen:

"Zum Gedächtnis der im Weltkrieg Gefallenen 1914 - 1918"

Beginnend mit Kanonier Gustav Barth (verstorben 1915) waren ebenfalls in Goldschrift die Namen von 84 gefallenen Soldaten eingraviert. Die Bekrönung des Monuments bildeten drei aufeinander verlegte, sich stufenförmig verjüngende Granitplatten. Auf diesen wiederum stand ein aus Stein gemeißeltes "Eisernes Kreuz" (von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Jahre 1813 gestifteter Orden in mehreren Klassen für Verdienste um das Vaterland).

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Ebenfalls aus den zwanziger Jahren datiert diese Postkarte. Kriegerdenkmal und Aux- innebrücke blieben bis 1945 so erhalten, während der Gasthof Ohlenberg durch Um- und Erweiterungsbauten zwischenzeitlich sein Bild verändert hatte.

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Die von einem Steinmetzbetrieb angefertigten einzelnen Elemente des Denkmals setzten Mitarbeiter des am Ort ansässige Maurermeisters Adolf Speckmann auf. Blumenrabatte und vorhandener Baumbestand sowie die Nähe zur Kirche vereinten sich zu einem würdigen Rahmen für das Denkmal, welches an einem Sommersonntag zu Be- ginn der Zwanziger Jahre enthüllt und geweiht worden war.

Die Übergabe des Denkmals an die Öffentlichkeit fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, des Kriegervereins und der Sportjugend des Kirchspiels im Anschluß an einen Gottesdienst in der Kirche statt: M Halbkreis um das Denkmal hatten die Ehrenjungfrauen in langen, weißen Gewändern - geschmückt mit Scherpen in den Nationalfarben schwarz-weiß-rot - die Fahne des Ortsvereins und die Fahnenabordnungen benachbarter Vereine Aufstellung genommen. Die Festansprache hielt Pfarrer Rösenberg. Kraft seines Amtes enthüllte der 1. Vorsitzende des Kriegervereins das Denkmal, eine Blaskapelle sorgte für den akustischen Rahmen. Die gemeinsam gesungene Nationalhymne beendete den offi- ziellen Teil der Veranstaltung. Die Glocken der Kirche Obehlischkens sandten ihren Gruß an die in der Ferne Ruhenden.


Soweit die Erinnerungen von Gerhard Brassat -

Der Chronist vermutet, daß man sich nach der Denkmalsenthüllung am Nachmittag zum Kaffeetrinken in den Gasthöfen Ohlenberg und Engelke einfand. Nach Auskunft von Besuchern Schulzenhofs soll vom Kriegerdenkmal heute, im Jahre 1992 keine Spur mehr vorhanden sein. Die Kirche sei eine Ruine. Das Umfeld der Kirche war mit Birken, Kastanien und niedrigem Buschwerk eingepflanzt. Kieswege um die Kirche führten zu den Abseiten neben dem Altarraum.

Der Kirchhofsberg - TP und Kiesgrube

Ein Kirchhof, die letzte Ruhestätte der Dorfbewohner, war etwa 100 Meter südlich an der Chaussee nach Scheunenort auf der höchsten Erhebung des Ortes angelegt. Die Toten wurden bis zur Bestattung - je nach den räumlichen Verhältnissen - in den Trauerhäusern oder auch in der Kirche aufgebahrt. Die Sargträger hatten dabei

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oft Schwerstarbeit zu leisten, denn es ging im wahren Sinne des Wortes: wohlauf, wohlan. Von der Höhe des Kirchhofes konnte man bei klarer Sicht die Kirchtürme von Insterburg sehen. Ansonsten hatte man einen herrlichen Rundblick über das weite Land.

Dem Kirchhof gegenüber - auf der anderen Chausseeseite - befand sich ein trigonometrischer Punkt. Er bezeichnete die Höhe von 54,7 Metern über Normalnull (Meeresniveau) und war für die Landvermessung und das Militär von besonderer Bedeutung.

Gleich daneben befand sich eine Sand- und Kiesgrube. Der hier gewonnene Kies war zwar für Betonarbeiten nicht geeignet, für den Wegebau und Pflasterarbeiten aber gut brauchbar, ebenso für die Mörtelbereitung nach entsprechender Absiebung.

Die Kirche - Innenausstattung und Orgel

Doch zurück zu unserer Kirche. Das Innere wies - ebenso wie die Außenansicht - eine schlichte Ausstattung auf: Die Wände waren glatt verputzt und mit einem hellen Anstrich versehen. Die schlecht funktionierende Ofenhei- zung sorgte für eine stetige Veränderung der Farbgebung in Richtung dunkelweiß. Neben dem breiten Eingangsportal im Turmbau gab es links und rechts je einen Eingang mit Treppenaufgängen, die den Zugang zu den Emporen und zur Orgelbühne ermöglichten. Von hier aus führten eine untergeordnete Treppe zu den Glocken und entsprechende Leitergänge weiter in den Turm. Empore und Orgelbühne bestanden aus einer Holz-Balkenständer-Konstruktion mit Hobeldielen-Fußboden und rundumlaufender, getäfelter Massivholzbrüstung. Alles war im Holzton gestrichen.

Auch hierzu bringt Lehrer Conrad (81) seine Erinnerungen ein:

Ich war erfreut, eine so gute und wohlklingende Orgel in der Dorfkirche von Schuizenhof vorzufinden. Sie war von der bekannten Orgelbaufirma Sauer in Frankfurt/Oder gebaut, hatte neben der Pedalklaviatur zwei Manuale, 16 klingende Stimmen und eine Pneumatik, wodurch sie sehr leicht und angenehm spielbar war. Am Spieltisch war ein Glöckchenzug angebracht, mit dem man die Bälgetreter zu ihrer Tätigkeit ermuntern konnte. Ich

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war dankbar, daß ich dort das schöne Lobeamt versehen durfte.

Vom Eingangsportal gelangte man über den Mittelgang zum Altarbereich. Dieser war um die Breite der Empore verkleinert und mit einem Kreuzgewölbe überdeckt. Rechts daneben war die Kanzel und links die Sakristei, in der Küster Bodenbinder seine sakralen Gerätschaften aufbewahrte. Zu beiden Seiten des Mittelganges standen die Kirchenbänke, deren Reihen durch zwei seitliche Zugänge unterbrochen wurden.

In den seitlichen Außenwänden des Gebäudes waren jeweils zwei mit Rundbögen überdeckte und mit Bleiverglasung versehene Fensterreihen unterschiedlicher Größe angeordnet. Die Fenster im Altarraum reichten hinunter fast bis zum Fußboden. Bei Abendveranstaltungen und an dunklen Tagen sorgten im Dachgebälk befestigte Kronleuchter für die nötige Beleuchtung. Der Kirchenraum war durch eine Zwischendecke aus gehobelten Brettern vom Dachraum abgetrennt.

Christliches Leben - Die besonderen Festtage

Der Gottesdienstbesuch war für Konfirmanden und Katechumenen obligatorisch. Die Gemeinde verband mit dem Kirchgang die Möglichkeit der Begegnung und Kommunikation. An den großen Festtagen des Kirchenjahres (Ostern, Pfingsten, Erntedank, Reformationsfest, Weih- nachten und Neujahr) waren die Gottesdienst besonders gut besucht und wurden daher auch besonders ausgestaltet. Schüler und Jugendliche hatten Gelegenheit, den Eltern und der Gemeinde ihre gesanglichen Darbietungen vorzutragen. Zum Erntedankfest war es guter Brauch, den Altar mit Feldfrüchten und Obst, so wie sie im Herbst reichlich vorhanden waren, zu schmücken. Es hatte doch fast jeder Dank zu sagen für eine gute Ernte. Die Naturalien wurden anschließend dem Waisenhaus oder an Bedürftige übergeben. Am Nachmittag feierte das Landvolk im Gasthof Ohlenberg bei Kaffee und Kuchen mit anschließendem Tanz das Erntefest.

Zu Weihnachten schmückte eine aus den umliegenden Wäldern stammende Fichte mit aufgesteckten Wachskerzen den Platz links neben dem Altar. Um 16 Uhr war der Heiligabendgottesdienst angesetzt, alt und jung, groß und

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klein eilten von nah und fern oft auf tief verschneiten Wegen zur Christvesper.

Für die Kinder war die Weihnachtsgeschichte entschieden zu lang, denn es war ja bekannt, daß der Weihnachtsmann für jedes Kind eine Weihnachtstüte bringen würde. Fleißige Hände hatten vor dem Fest in der Gemeinde gesammelt und alles wohl gerichtet. Nach der Bescherung in der Kirche ging es festlich eingestimmt und in der Erwartung der Überraschung, die es in der Familie gab, nach Hause.

Mit Bestimmheit kann man aus heutiger Sicht sagen, daß am Heiligen Abend in jedem Haushalt des Dorfes die Kerzen eines geschmückten Baumes angesteckt wurden. Die Geschenke waren hingegen nicht so zahlreich, wie man es heute gewohnt ist. Es waren praktische Sachen zum Anziehen, zum Beispiel Strickwerk, das an langen Winterabenden von fleißigen Mütterhänden gefertigt worden war. Besonders beliebte und willkommene Geschenke waren Schlittschuhe oder Rodelschlitten, konnte man sie doch fast vier Monate im Jahr benutzen.

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Wintersport in Schulzenhof

In Schulzenhof gab es viele Möglichkeiten, Wintersport zu treiben. Es soll des öfteren vorgekommen sein, daß besorgte Eltern ihre Kinder im Mondschein von der Rodel- oder Eisbahn heimholen mußten.

Der Rodelsport fand in der Hauptsache auf den Wegen zum Auxinnetal statt, die einen Höhenunterschied von 20 Metern aufwiesen. Die Kurvenbahn in Schebsdats Schleitass sowie die Hopsbahn sind vielen sicher noch in guter Erinnerung. Es wurde aber auch überall dort gero- delt, wo es bergab ging.

Schlittschuhlaufen ging man im Auxinnetal, auf den Teichen, die am Kirchensteig nach Ruppen lagen. Wir spielten fangen oder "Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann". Die Jungen trieben mit selbstgeschnitzten Stöcken den Puck übers Eis und wenn genügend da waren, trugen wir ein Eishockey-Match aus.

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Lageplan Schulzenhof und Umgebung


Arbeitsleben im Winter

Das Arbeitsleben in Schulzenhof kam im Winter fast zum Erliegen: Die Bewohner beschränkten sich auf das unbedingt Notwendige. In der Landwirtschaft wurde die Getreideernte des Vorjahres gedroschen. Holz für den nächsten Winter wurde angefahren, zerkleinert und zum Trocknen aufgeschichtet. Weiterhin mußte das Vieh ja täglich gefüttert und getränkt werden. Das Futter für einen bestimmten Zeitraum mußte außerdem im Zugriff verfügbar gelagert werden, denn bei starkem Frost war es schlecht möglich die Rübenmieten zu öffnen. Dieser Vorrat mußte an milden Tagen eingebracht und frostfrei gelagert werden.

Milchwirtschaft

Die Kühe waren täglich mehrmals zu melken, die Milch mußte an die Chaussee geliefert werden. An dieser waren an verschiedenen Stellen im Ort Milchbänke aufgebaut, auf denen zum Abholtermin die 20 Liter fassenden und rund 25 Kilogramm schweren Milchkannen in Höhe der Lkw-Böden bereitgestellt wurden.

Die Milchenkannen bestanden aus verzinktem Blech und waren mit einer von der Molkereigenossenschaft Insterburg zugeteilten Nummer gekennzeichnet. In schwarzer Farbe war zusätzlich der Name des Milchanlieferers aufgedruckt. Den Milchtransport besorgte Robert Katins mit seinem Fuhrbetrieb. In der Regel wurde die Milch morgens und abends mit einem Motorwagen und Anhänger zur Molkerei nach Insterburg gefahren, wobei sämtliche an der Chaussee liegenden Orte mit entsorgt wurden.

Schriftliche Bestellungen für Molkereiprodukte klemmten die Bauern im Deckel der vollen Milchkanne fest. So kamen mit der leeren Kanne Butter und Käse für den Eigenbedarf oder Molke für die Schweine am selben Tag zurück zum Erzeuger.

Die Molkerei registrierte jede Anlieferung genau und stellte in Stichproben den Fettgehalt der Milch fest. Fette Milch wurde besser bezahlt. Die Abrechnung erfolgte einmal im Monat, was für viele Milcherzeuger die einzige regelmäßige Bareinnahme war.

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Vorratswirtschaft für den täglichen Bedarf

Das Wirtschaften, besser gesagt: Vorratswirtschaft zu betreiben, war in der ländlichen Region in jeder Hinsicht geboten. In vielen Dingen war man Selbstversorger: So bevorrateten sich die meisten Bewohner im Herbst mit den Produkten des selbst bestellten Landes, um damit über den Winter bis zur neuen Ernte zu kommen.

Der Kartoffelvorrat stammte überwiegend aus eigenem Anbau oder war, wie wir zu sagen pflegten, bei einem Landwirt ausgesetzt. Der Landwirt besorgte dann auf seinem Acker den Anbau einer bestimmten Menge Kartoffeln samt allen Nebenleistungen für einen Fremden.

Die Kartoffelernte übernahmen die Menschen selbst und zwar von Hand. Dadurch war ein schonendes Ausmachen der Knollen möglich.

Die Leistungen des in Anspruch genommenen Landwirtes wurden durch eine entsprechende Anzahl von Tagewerken als Arbeit bei der Ernteeinbringung abgegolten. Auf dieser Basis wurde auch die Anfuhr von Brennholz aus dem Walde abgerechnet.

Im Herbst legten die Bewohner Schulzenhofs ihren Vorrat für den Winter an: Kohl wurde zu Sauerkraut verarbeitet, Mohren, Rote Beete und Steckrüben (Rapucken) wurden in Sand eingelegt und so im Winter bei Bedarf zu entnehmen. Auch Obst wurde eingelagert, getrocknet oder eingekocht. Fallobst und Beeren, die in der Gegend wuchsen, verarbeiteten die Menschen zu Saft oder Marmelade. Apfel- und Johannisbeerwein gehörte zu den Hochgenüssen beim Verzehr der Früchte. Im Dorf oblag es den Hausfrauen und nicht erwerbstätigen Familienangehörigen, diese Vorsorge als Beitrag zum gemeinsamen Lebensunterhalt zu treffen.

Einkaufsmöglichkeiten

Die Versorgung mit den sonst noch nötigen Lebensmitteln war bei Kaufmann Gustav Ohlenberg, bei Robert Katins oder bei Otto Schustereit möglich. Fleisch und Wurst kauften die Bewohner bei Fleischermeister Emil Panke. Brot, Kuchen und Mehl gab es bei Bäckermeister Franz Adomat täglich frisch.

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Um Bekleidung und Schuhe zu erstehen, mußte man in die Kreisstadt Insterburg reisen. Ansonsten war der Kolonial- und Materialwarenhandel Ohlenberg mit Schank- und Saalbetrieb stets bemüht, seine Kunden, die nicht nur aus dem Dorf sondern aus der ganzen Umgebung kamen, mit Handelswaren jeglicher Art zu versorgen. Ohlenberg lieferte Spaten, Schippen, Ketten, Leinen, Peitschen, Kohlen, Brikett, Benzin, Petroleum aber auch Wein, Spirituosen und Tabakwaren sowie Lebensmittel und Feinkost.

Trakehner in Schulzenhof

Das Landgestüt Georgenburg stationierte jährlich im Frühjahr - etwa vom Februar bis in den Mai hinein - in den Stallungen von Gustav Ohlenberg in eigens dafür eingerichteten Standboxen zwei Hengste. Für diese "Landbeschäler" waren zudem ein Gestütsbeamter und ein Pferdepfleger abgestellt, die im Gasthof wohnten und auch dort verpflegt wurden.

Auf diese Weise hatten die Pferdezüchter aus dem Umland die Möglichkeit, ohne weiten Anmarschweg ihre Stuten von gekörten Samenträgern des ostpreußischen Warmblutpferdes Trakehner Abstammung decken zu lassen. Neben den Trakehner-Hengsten war dort auch ein Kaltblüter-Hengst als schweres Arbeitspferd stationiert.

Der Gasthof Ohlenberg - Mittelpunkt des Ortes

Bei Ohlenberg befand sich auch die amtliche Viehwaage, die in vorgeschriebenen Abständen geeicht wurde. Sie war in einem eigens dafür eingerichteten Gebäude (links neben der Hofeinfahrt) untergebracht. Dort wurde in der Region gehandeltes Vieh zuerst verwegen und dann abtransportiert. In jedem Fall wurde der Handel mit Bier und Korn begossen. "Magritsch" trank man sozusagen umsonst, im Winter dagegen Grog nach dem Motto: "Rum muß, Zucker kann, Wasser braucht nicht."

Überhaupt war der Gasthof Ohlenberg mit seinem Saalbetrieb der Mittelpunkt des dörflichen Geschehens. Im Saal mit seiner kleinen Bühne fanden Veranstaltungen vielfältiger Art statt: Vereinsfeste, Filmvorführungen nach

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vorheriger Ankündigung, Versammlungen, Kaffeetrinken, Elternabende mit gemütlichem Beisammensein, Tanzveranstaltungen, aber auch Musterung der wehrfähigen Männer und die Holzauktion.

Arbeitsleben - Gewerbe

Erwerbsmöglichkeiten fanden die Bewohner Schulzenhofs in den landwirtschaftlichen Betrieben, beim Staatsforst Kranichbruch mit dem Forstamt Saubucht, im Baugeschäft Adolf Speckmann mit seinen Nebenbetrieben Zimmerei, Sägewerk und Holzhandel, Mühle und Getreidehandel sowie in der angegliederten Landwirtschaft, welche auch Fuhrleistungen für die Bau- und Ne- benbetriebe besorgte.

Während im Baubetrieb die witterungsabhängigen Arbeiten - je nach Wetterlage - von November bis März zum Erliegen kamen, waren Sägewerk, Mühle und die landwirtschaftlichen Betriebsteile ganzjährig in Betrieb. Dasselbe traf auch für die übrigen Handwerker wie Dach- decker und Maler im Dorf zu.

Bei Stellmachermeister Naudßus sowie in den Schmieden von Metschies und Jetzkowitz herrschte im Winter dagegen Hochbetrieb: Landwirtschaftliche Maschinen, Geräte, Wagen und Schlitten mußten repariert und für die neue Saison hergerichtet werden. In diesen Betrieben gab es im Winter immer zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten.

Schmiedemeister Metschies, Stellmachermeister Naudßus und Baumeister Adolf Speckmann bildeten auch Lehrlinge aus. In diesen Betrieben gab es zudem die sichersten Arbeitsplätze. Für andere Berufe gab es Lehrstellen nur in der Umgegend oder in Insterburg, was immer mit langen Anfahrtswegen verbunden war.

Überhaupt waren die Arbeitsstätten nie vor der Haustür. Auch die am Ort wohnenden Handwerker mußten täglich erhebliche Zeit für den Weg zur und von der Arbeit nach Hause aufwenden. Oft blieb man auch die ganz Woche von der Familie getrennt nahe der Arbeitsstelle in Logis und kehrte nur zum Wochenende heim.

Die selbständig arbeitenden Handwerksmeister meist Alleinmeister - hatten neben ihren Einkünften aus ihrem Gewerk noch Einnahmen aus dem landwirtschaftlichen Nebenerwerb. Neben den bisher

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genannten waren in Schulzenhof noch folgende Kleinstgewerbetreibende tätig: drei Tischler, zwei Schneider, drei Schuhmacher, ein Sattler und ein Gärtner, der die Region mit Pflanzen gängiger Art versorgte. Er führte zudem den Baumschnitt und die vorgeschriebene Schädlingsbekämpfung an Obstbäumen durch.

Landwirtschaft

Wie bereits erwähnt war die ganze Region landwirtschaftlich strukturiert. Dennoch gab es im Ort selbst nur drei Vollerwerbsbetriebe. Auf den Feldern angebaut wurden Roggen, Weizen, Hafer, Gerste, Kartoffeln und Rüben. Weitere Schwerpunkte lagen in der Milchwirtschaft und in der Rinder- und Schweinezucht. Bei Landwirt Schebsdat stand der Vereinsbulle, ebenso ein Eber.

Der Wald als Energielieferant

Die kleineren Landwirte nutzten die lange Winterzeit von November bis März mit Holzrücken im Forst oder Anfuhr von Langholz zum Sägewerk - je nach Wetterlage mit Schlitten oder Langwagen. Der Wald um Schulzenhof war für die Bewohner ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor und Energielieferant.

Zur Wärmegewinnung setze man in der Hauptsache Holz ein, Kohle aus Schlesien oder dem Ruhrgebiet war wegen der langen Transportwege zu teuer. In den Wintertagen bevorrateten sich die Bewohner mit Brennholz für den darauffolgenden Winter.

Die zuständige Forstverwaltung veranstaltete in der Gaststätte Ohlenberg regelmäßig Holzauktionen. Wie Erna Ohlenberg (85) schreibt, ging es dabei immer recht lebhaft zu:
"Zur Auktion standen die Bestände der Revierförstereien Schönfeld, Saubucht, Jagdhaus und Kranichbruch. Die Forstleute unterschieden zwischen Brennholz, Papierholz und Nutzholz. Brenn- und Papierholz wurden in Längen von einem Meter, aufgesetzt zu Stößen in Raummetern ab gut zugänglichen Waldwegen und Gestellen angeboten und verkauft. Nutzholz - auch als

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Langholz bezeichnet - dagegen in ganzen Baumlängen und nach Festmetern.

Jeder Stoß und jedes Langholz war mit einer Nummer versehen. Der Käufer erhielt einen Schein, der die Nummer und den Standort des Holzes (z.B. Jagen 188 - unmittelbar am Forstamt Saubucht gelegen) angab. Diesen Berechti- gungsschein mußte der Käufer bei der Abfuhr des Holzes bei sich haben und bei Kontrollen durch den Förster oder seine Beauftragten vorweisen.

Bei guter Schlittbahn wurde im Winter viel Holz mit dem Schlitten aus dem Wald geholt. Holz aus dem Skungirrer- und Stagutscher Moor konnte ebenfalls nur im Winter, wenn das Moor gefroren war, abgefahren werden.

Nach ausgedehnten Regenperioden im Herbst oder bei Tauwetter im Frühjahr wurden die Wege in den Wald mit Schlagbäumen geschlossen. Diese Maßnahme war zur Erhaltung der unbefestigten Waldwege -unbedingt er- forderlich."

Brennholzbevorratung

Auch Leute mit kleinem Geldbeutel hatten durch persönlichen Einsatz die Möglichkeit, Vorsorge für ausreichenden Brennstoffvorrat im kommenden Winter zu treffen; zu frieren brauchte niemand. Sie konnten beim Forstamt für einen geringen Betrag von ungefähr drei Reichsmark die Berechtigung erwerben, in einem bestimmten Jagen, Leseholz zu sammeln. Diese Aktion fand meist im Anschluß an die eigentliche Durchforstung des Waldes statt. Dabei blieben oftmals auch stärkere Äste liegen, die jedoch für eine forstwirtschaftliche Verwertung nicht geeignet waren. Sie wurden Eigentum der Holzsammler und mußten für die Abfuhr nur an die Waldwege und Gestelle herangetragen werden. Auf diese Weise bekam der Förster seinen Wald sauber und der fleißige Sammler sicherte sich die Feuerung für den nächsten Winter ohne große fi- nanzielle Belastung.

Eine weitere Möglichkeit der privaten Holzbevorratung war der Holzeinschlag in Gegenden, die nur nach längeren Frostperioden zugänglich waren: in den Moor- oder Bruchgebieten. Diese Art der Brenn- holzbeschaffung nutzten vorwiegend nicht selbständige Handwerker. In der langen Winterpause hatten sie oft

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keine Arbeit und damit auch kein Einkommen. Betroffen waren naturgemäß am stärksten diejenigen Handwerker, die ihrem Broterwerb unter freiem Himmel nachgingen.

Hausschlachtung

Die meisten Bewohner des alten Teils von Schulzenhof hatten dort Grundbesitz und ein eigenes Haus mit dazugehörigem Stall für das Vieh. In vielen Bereichen war man Selbstversorger, so auch bei der Fleischversorgung. Fleischermeister Panke nahm die Hausschlachtungen vor - aber auch die meisten Nicht- Fachleute konnten ihr Schwein zur Strecke bringen und verarbeiten.

Die Hausfrauen hatten durch langjährige Erfahrung und überlieferte Kenntnisse eine ziemliche Perfektion entwickelt. Die Herstellung von Leber-, Blut- und Grützwurst sowie Schwartemagen gehörte zum Standardprogramm einer jeden Hausschlachtung. Unter Hinzunahme von Rindfleisch wurde auch eine gute Mettwurst hergestellt. Schinken, Speck und Bauchseiten wurden gepökelt und anschließend geräuchert.

Überhaupt war die Haltbarmachung der Schlachtung eine sehr wichtige Angelegenheit. Kühlschränke und - truhen, die man heute als Selbstverständlichkeit ansieht, waren damals noch weitgehend unbekannt. So erfolgten auch die meisten Schlachtungen erst, wenn die Außen- temperaturen unter den Nullpunkt gesunken waren.

Unter diesen Bedingungen konnte man schon eine gewisse Zeit ohne besondere Konservierung auskommen. Sonst räucherte man die Frischwurst im Darm etwas an. Eine sichere Aufbewahrung stellte das Einwecken der verschiedenen Wurstsorten oder Sülzen in Gläsern und Dosen dar.

Doch bevor dies alles geschehen konnte, mußte der Fleischbeschauer Waldemar Lorenschat aus Schwägerau die Sau in Augenschein genommen und dem Fleisch mit seinem Stempel einwandfreie Beschaffenheit und Trichinenfreiheit bescheinigt haben.

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Das Auxinnetal, aufgenommen von der Chaussee vor den Kreishäusern.

Die Auxinne - Urstromtal und Bleichwiesen

Die Auxinne, bescheidener Rest eines gewaltigen Urstromes, floß in geringer Entfernung an Schulzenhof vorbei. Insbesondere die Bewohner der Kreishäuser im neuen Ortsteil hatten einen freien Blick in das Flußtal. Die Bewohner des alten Dorfkerns lebten jedoch auch nur einige Schritte vom Flußufer entfernt.

Unterhalb des Steilufers - wir nannten es: Abrolats Berg - lagen Wiesen, die von den Frauen des Ortes zum Bleichen der Wäsche genutzt wurden. Sie breiteten ihre frisch gewaschene Wäsche auf dem zuvor kurzgemähten Gras der Bleichwiesen aus und besprühten sie mittels Gießkannen mehrmals mit Flußwasser. Sonne und Wind besorgten dann den Bleichvorgang.

Fischfang in der Auxinne

In bescheidenem Maße wurde in der Auxinne auch Fischfang für den Eigenbedarf von den Bewohnern betrieben. Einen Angelschein für das ganze Jahr erhielt

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Fischfang in der Auxinne: Die Ruppener Gebrüder Schnewitz und Karl Labinski (2.v.r.) versuchen es hier mit dem Staknetz. Das Bild datiert von Sonntag, 12. Oktober 1931.

man für drei Reichsmark beim Amtsvorstand. Angel, Reuse, Nachtschnüre, Kescher und Staknetze waren die gebräuchlichsten Fanggeräte.

Eine sehr beliebte Fangmethode war das Einstellen oder Einsitzen. Dabei baute man sich einen Steg aus Pfählen und Stangen in den Fluß. Auf die horizontale Sitzstange nagelte man ein breiteres Brett, damit auch längere Sitzungen nicht zur Tortur wurden.

Zum Fang setzte man einen Kescher vom Steg aus mit der Öffnung zur Strömung hin auf den Grund des Flusses. Die Strömung trieb dann den geschlossenen Netzteil mit der "Tibberschnur" stromabwärts. Da diese Fangmethode nur in den Abendstunden oder nachts

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ausgeführt werden konnte, mußte man schon etwas Geduld aufbringen, bis ein Barsch, Plötz, Hecht, Aal oder Neunauge ins Garn ging. Die "Tibberschnur" gab das Signal, den Kescher hochzuheben und nach der Ursache zu forschen.

Mit genügend Ausdauer und einer gut gestopften, halblangen Tabakspfeife - gegen die Mücken - konnte der Fischer so manche Mahlzeit gesunden und schmackhaften Fisches aus der Auxinne holen. War die Ausbeute reichlich, beteiligte er selbstverständlich den Nachbarn oder einen guten Freund daran.

Das Stellen von Reusen und Nachtschnüren war der bequemere Weg an eine Fischmahlzeit zu gelangen: An einem Drahtring von etwa 80 Zentimetern Durchmesser wurden vier jeweils rund 40 Zentimeter lange Schnüre mit Angelhaken befestigt. Auf die Haken wurden Regen- oder Sprockwürmer als Köder gezogen. Nun knüpfte man noch eine lange Schnur an den Drahtring und warf das Gerät in unmittelbarer Ufernähe in den Fluß.

Dieser Fischer mußte früh aufstehen können, denn schon vor Sonnenaufgang mußte er nachsehen, ob etwas angebissen hatte. Kam er nicht rechtzeitig aus den Federn, konnte es sein, daß sein Fisch die Schnur abgedreht hatte und samt Haken auf und davon war.

Sommertags sperrten die Bewohner mit Stellnetzen und Keschern die Auxinne in ihrer gesamten Breite ab. Etwa zweihundert Meter stromaufwärts begannen sie dann mit dem "Stuken": Mit langen Stangen schlugen sie dabei auf und in das Wasser - insbesondere in den Uferbe- reichen. Der vom Lärm aufgeschreckte Fisch zog mit der Strömung in die Absperrung. Für die jungen Burschen des Dorfes war das "Stuken" Fischfang und Badespaß zugleich.

Weitere Fangmethode war das "Kratzen". Es wurde besonders in Teichen angewandt, die mit Karauschen besetzt waren. Dazu setzte man einen Kescher vom Ufer aus soweit wie möglich in den Teich und führte ihn über den Grund zurück zum Ufer. Natürlich war nicht jeder Zug von Erfolg gekrönt, doch mit Fleiß und Ausdauer brachte man auch damit eine Mahlzeit zusammen.

Oberstes Gebot war: nur die dicken Fische in den Eimer, die kleinen wurden wieder eingesetzt. So blieb die Population erhalten und auch im nächsten Jahr ging noch ein Fischlein in den Kescher.

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Jagd und Wild

Die sehr waldreich strukturierte Umgebung unserer näheren Heimat verbunden mit der Auenlandschaft um die Auxinne war geradezu ein Paradies für die unterschiedlichsten Wildarten. So waren Rot-, Reh- und Schwarzwild in der Hauptsache im Hochwald, also im Staatsforst Kranichbruch und im Herzog Anhaltinischen Forst beheimatet.

Hase, Fuchs und Dachs waren überall dort zu Hause, wo sich ihnen eine Lebensgrundlage bot. So in den bewaldeten Hängen des Auxinnetals (Schleitass). Fasane, Rebhühner, Auer- und Birkhähne sowie Enten verschiedener Arten bevorzugten gleichfalls die Auenlandschaft der Auxinne als ihren Lebensraum.

Während in Staats- und Anhaltinischem Forst Hege und Jagd des Wildes den Forstbeamten oblag, waren die landwirtschaftlich genutzten Flächen und Bauernwälder verpachtet (Jagdgenossenschaft). Vielfach gab es auch Eigenjagden, wozu ein zusammenhängendes Areal von mindestens 75 Hektar erforderlich war.

Nach dem Reichsjagdgesetz von 1935 mußten die Jagdpächter bei der Jagdbehörde, dem Landratsamt in Insterburg, eine Jägerprüfung ablegen. Daraus ergab sich in Verbindung mit einem Pachtvertrag die Erlaubnis zum Bejagen eines bestimmten Reviers.

Die Jagdzeiten waren per Gesetz für jede Wildart genau festgelegt. Rotwild wurde von Anfang Juni bis Ende Februar geschossen. Rehwild schon ab Mitte Mai, ebenfalls bis Ende Februar. Für Hasen begann das große Sterben am 1. Oktober und endete Mitte Januar.

Die Jagdpächter luden in dieser Zeit die Jäger der benachbarten Reviere und ihre Freunde zur Treibjagd ein. Außerdem bestellten sie für diesen Tag eine ausreichende Anzahl Treiber. Es ging über Wiesen und Felder, vorbei an Buschwerk und Hecken, wobei den Treibern und Hunden die Aufgabe zufiel, das Wild aufzujagen und der Schützenkette entgegenzutreiben. Nach der eigentlichen Jagd wurde die Strecke gelegt und der Schützenkönig ermittelt. Ein zünftiges Jägeressen bildete den Auftakt zum gemütlichen Teil der Veranstaltung.

Entlang des Waldes hatten die Eigner oder Jagdpächter an besonders geeigneten Stellen aus Stangen

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gezimmerte Hochstände oder Ansitze errichtet. Mit einer Leiter gelangte man in die allseitig geschlossene und überdachte Kanzel. Ausgucke, die als Schießscharten dienten, waren nach allen vier Himmelsrichtungen angeordnet. Der Jäger konnte so vor Wind und Wetter ge- schützt den Austritt des Wildes aus dem Hochwald beobachten und gegebenenfalls frei zum Schuß kommen.

Allzuoft kam es vor, daß Rot-, Reh- oder Schwarzwild in die landwirtschaftlichen Kulturen überwechselte und auf der jungen Saat oder in den Kartoffelfeldern - hier labten sich die Wildschweine besonders gern - großen Schaden verursachten. Der Jagdpächter mußte sich dann mit dem Eigentümer über die Höhe des Schadens einigen und diesen entschädigen.

Der Sportverein Obehlischken

Hinter dem Sägewerk von Adolf Speckmann war für den Sportverein Obehlischken (SVO) ein Sportplatz angelegt. Der Platz - eine Liegenschaft des Kreises Insterburg - war über einen Feldweg vom Landweg nach Sittenfelde zu erreichen. Meistbenutzt - weil kürzer - war der Weg am Waisenhaus vorbei entlang an Ackergrenzen.

>Die Platzanlage selbst bestand aus dem abgegrenzten Fußballfeld mit zwei Toren, einer Sprunggrube, sowie Reck und Barren. Auch eine kleine Baracke für die Aufbewahrung der Geräte und zum Umkleiden für die Sportler war vorhanden.

Die Vereinsfarben waren schwarz-gelb. Über die sportlichen Aktivitäten des Vereins ist nur wenig bekannt, weil diese zu Beginn des Krieges gegen null tendierten. Bekannt ist aber, daß der Sportplatz von der Schule zum Sportunterricht genutzt wurde: Noch während des Krieges fanden dort auch die Schulsportfeste statt.

Fritz Wieser, ein ehemals Aktiver und heute 88 Jahre alt, erinnert sich: Der SVO war - wie alle Vereine im Kreis Insterburg - ein eingetragener Verein. Die Mitglieder zahlten Beiträge und wählten einen Vorstand, der aus Max Neumann (Vorsitzender), Kurt Haupt (Stellvertreter und Schriftführer), Erwin Kuckuck (Kassierer) sowie einem hauptamtlichen und vom Kreis bestellten Sportwart und

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Sägewerk und Mühle von Adolf Speckmann: In der linken Bildhälfte ist das massive Maschinenhaus mit stählernem Rauchabzug und Dampfüberdruckventil zu sehen.

Trainer bestand. Dieser kam aus Georgenburg und war ne- ben dem SVO auch für die Betreuung der Sportvereine umliegender Orte zuständig.

Schwerpunkte der sportlichen Aktivitäten im SVO waren das Fußballspiel und einige leichtathletische Disziplinen. Die Spiele hießen Verbandsspiele. Sie wurden in den Gruppen A, B und C ausgetragen. Gruppe A war die 1. Mannschaft eines Vereins. In der B-Gruppe spielte die 2. Mannschaft und in der Gruppe C schließlich die heranwachsende Jugend des Vereins.

Den Durst nach dem Spiel löschten die Aktiven im Gasthaus Engelke und bei Ohlenberg.

Besonderheiten am Rande

Besonderheiten am Rande sollen im Rahmen dieser Aufzeichnungen über Schulzenhof nicht unerwähnt bleiben. Es gab neben dem bereits beschriebenen Kriegerdenkmal

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eine weitere Gedenkstätte.. Dort wo die Obere Dorfstraße in die Chaussee einmündete, war später durch den Umbau derselben (Beseitigung der Todeskurve) eine größere Freifläche entstanden.

Hier war schon lange vor dem Straßenumbau zur Erinnerung an die Gründung des Deutschen Reiches und an dessen Gründungskanzler eine Eiche - die Bismarckeiche - gepflanzt worden. Sie war zum Schutz gegen Beschädigungen mit einem Staketenzaun umgeben. Eine Pforte, die grundsätzlich verschlossen war, machte die Pflege der Baumscheibe möglich. Wer für die Errichtung und Unterhaltung dieser Gedenkstätte verantwortlich zeichnete, ist nicht mehr bekannt.

Nur wenig bekannt sein dürfte auch die Tatsache, daß bis in die dreißiger Jahre auf dem Abbau von Landwirt Mantwill ein Webstuhl stand, auf dem Trachtenstoffe und Aussteuerleinen gewebt-wurden. In den Bauernstuben gab es zudem viele Spinnräder, mit denen an langen Winterabenden die Schur der ostpreußischen Schafrasse - Skudden genannt - zu Wolle verarbeitet wurde, aus der anschließend diverse wärmende Stricksachen entstanden.

Das bereits erwähnte Waisenhaus - in der Mitte des Weges vom alten zum neuen Dorfteil, zur linken Hand an der Chaussee gelegen - wurde in den letzten Jahren nicht mehr als solches genutzt. Es war in private Hand (Besitzer Habedank ) übergegangen. Die Räumlichkeiten waren in Wohnungen umgebaut worden, die dazugehörigen Ländereien wurden jedoch weiter landwirtschaftlich genutzt. Ob der von Lehrer Conrad geschilderte Schülerzu- und -abgang mit der Schließung des Waisenhauses in ursächlichem Zusammenhang stand, kann man heute nur vermuten.

Ein Hobby mit entsprechendem Nutzeffekt war die Imkerei. Mehrere Bewohner Schulzenhofs hielten sich einige Bienenstöcke für den Eigenbedarf. Die blühenden Lindenbäume und die Kleefelder in der Umgebung des Dorfes bildeten die Voraussetzung für eine gute Tracht.

Selbst Tabaksanbau gab es im Dorf. Die Eigentümer mußten die Anzahl der von ihnen gesetzten Tabakspflanzen dem Zoll melden. Danach wurde ihnen die Tabaksteuer berechnet, die sie zu entrichten hatten. Der Tabak wurde getrocknet und als Grobschnitt in halblangen Pfeifen geraucht.

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Ostpreußisches Brauchtum

Über ostpreußisches Brauchtum im Jahresreigen und wie es in Schulzenhof gepflegt wurde, weiß Magdalene Heusinger, geborene Speckmann, zu berichten:

Die Neujahrsböcke hatten ihren ungestümen Tanz aufgeführt und nachdem sie für das Erscheinen und ihre guten Wünsche ein Entgelt erhalten hatten, waren sie abgezogen.

Nun lebte man noch "in den Zwölften", das waren mehr oder weniger arbeitsfreie Tage, die mit dem Fest der Heiligen Drei Könige am 6. Januar ihr Ende hatten. Man besuchte sich gegenseitig und verzehrte die Reste, die von den Festtagen übrig geblieben waren. Danach war die Zeit des Federreißens angebrochen: Das Gänse- und Entensterben vor Weihnachten hatte eine Menge Federn und Daunen als Nebenprodukt beschert, die, so wie sie angefallen waren, nicht zu verwerten waren. Vor dem Fest kam dieser Segen ziemlich ungelegen und so wurden die Federn bis nach den Feiertagen in Säcken aufbewahrt.

Der Ort des Geschehens wechselte und die Teilnehmer des ersten "Feder-Talks" wurden schon für den nächsten eingeladen. Da wurde die große Stube ausgeräumt, lediglich lange Tische und Stühle oder Bänke blieben drin. Zuvor heizte man den guten Kachelofen noch einmal or- dentlich nach, damit er bis zum nächsten Morgen durch wärmen konnte.

Erste Handlung in dem noch federfreien Raum war die Einnahme einer Mahlzeit aus belegten Broten und frischem Fladen. Dazu gab es Kaffee zu trinken. Danach wurden Tassen und Teller abgeräumt und die in der Stubenecke abgestellten Federsäcke auf den Tischen zum Teil entleert. Geschwind befreiten Frauenhände die Federn von Kielen und Posen und noch geschwinder ging das Mundwerk von den vielen Wievern. Eine ostpreußische Redensart lautete: "Mönsche were nich, ober Wiever".

Themen gab es immer zu genüge und die Teilnehmer der Veranstaltung wußten immer ganz genau, was im Dorf passiert war. Schön wurde es erst, wenn die Daunen auf den Tisch kamen. Da paßte jede höllisch auf, daß die

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Haare fest unter dem großen Schauertuch blieben. Die gesamte Kleidung war ohnehin bedaunt, weshalb sich alle in weite Kittelschürzen gehüllt hatten.

Wenn sich die ersten Müdigkeitserscheinungen durch verkniffenes "ohjahnen" bemerkbar machten, kam der Hausherr mit einer Flasche "Meschkinnes", dem beliebten Muntermacher. Nach dem dritten Glas war die anfängliche Phonstärke wieder erreicht, denn die Arbeit mußte fertig werden. Ein nochmaliges Beginnen lohnte sich nicht wegen der umfangreichen Vor- und Nachbereitungsarbeiten. Rechtschaffen müde ging man in den ersten Stunden des neuen Tages auseinander und sicher hatte das gemeinsame Tun für jeden etwas gebracht.

Fastnacht begann schon in der Schule. Die Kinder gingen ohne Bücher zum Unterricht. Auf die Schultafel wurde bereits vor dem Eintritt des Lehrers in den Klassenraum in Schönschrift mit Kreide ein auf Fastnacht bezogener Reim geschrieben, der folgenden Anfang hatte:

Fastnacht ist in jedem Haus,
Fastnacht feiern Katz und Maus.
Die Raben sind gekommen
und haben uns die Bücher weggenommen.
usw.

Die weiteren Zeilen brachten die Bitte um schulfrei zum Ausdruck. Leider ist der Text trotz vielseitiger Nachfrage in Vergessenheit geraten. Wenn auch nicht die ganzen Stunden unterrichtsfrei waren, so hieß es doch nach der großen Pause: "schulfrei". Dann waren Rodeln oder Schlittschuhlaufen angesagt.

In vielen Familien wurde zu Fastnacht "Schuppnis" gekocht. Dem Namen nach zu urteilen, ist dieses Gericht von unseren nordöstlichen Nachbarn importiert worden. Gelbe oder graue Erbsen wurden mit Bohnenkraut oder Majoran und geräucherter Schweinebacke weichgekocht. Das Fleisch ist früher gar, damit es noch Biß behält, wird es aus dem Topf genommen und in der Röhre warmgestellt. Die Erbsen werden dann zu einem .dicken Brei eingekocht. Schließlich werden Erbsbrei und die Schweinebacke, fingerdick geschnitten, als Tellergericht serviert.

Am Nachmittag war bei guter Schlittbahn das Fastnachfahren üblich. Die Fahrt ging zu in der näheren Umgebung wohnenden Verwandten oder Bekannten. Vielfach waren auch Gasthöfe das Ziel, so z.B. das Waldgasthaus am

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Bahnhof Waldhausen. Der Weg führte in Richtung Staatshausen über die dritte Allee durch den Herzoglich Anhaltinischen Forst. Es wurde Kaffee getrunken und dazu gab es Schmalzgebackenes, Krapfen oder Raderkuchen. Danach waren Grog und Punsch angesagt. Bei genügender Beteiligung war so eine Fastnachtsfahrt schon eine angemessene Form der Geselligkeit. Doch auch Einzelfahrten durch den verschneiten Winterwald waren ein Erlebnis mit bleibender Erinnerung.

Ein lang gepflegter Brauch zu Ostern war das "Schmackostern". Zeitig vor dem Fest wurden Birkenreiser in einer Vase vorgetrieben, damit zu Ostern das erste Grün sichtbar wurde. Kinder machten sich einen Spaß und gingen von Haus zu Haus Schmackostern: Die Hausfrau oder der Hausherr wurden mit den Osterruten liebevoll geschlagen. Dazu wurde jeweils ein Vers aufgesagt: Oster schmackoster, fief Eier, Stock Speck, vom Koke de Eck, ehr go eck nich weg, e Dittke to Beer, dann körn eck nich mehr.

Besonderen Spaß gab es, wenn junge Mädchen oder Burschen noch in den Betten lagen. Dann wurde das Deckbett gelüftet und von den Füßen weiter aufwärts geschmackostert bis der Schläfer oder die Schläferin aufstanden und durch die Übergabe von Eiern dem Treiben ein Ende bereiteten.

Die Mär von den Osterhasen war auch in Schulzenhof bekannt und so hatte der Osterhase überall im Garten seine Eier gelegt, die die Kinder suchen mußten. Freudenschreie gab es, wenn sie ein Nest fanden.

Als Schmuck für die Stube dienten ebenfalls vorgetriebene Birkenruten. Dieser Strauß wurde je nach Kreativität mit ausgeblasenen und bunt bemalten Eiern behängt. Auch Weidenkätzchen waren als Osterstrauß sehr beliebt. Wobei man keine Bedenken haben mußte, daß man den Bienen die erste Nahrung fortnahm, denn die Ufer der Auxinne waren ausschließlich mit Weiden bewachsen.

Das Abbrennen der Osterfeuer wurde schon am Ostersonnabend durchgeführt. Strauchwerk jeglicher Art wurde den Flammen geopfert. Ein ganz alter, noch heidnischer Brauch war es, das Osterwasser zu holen. Hiervon machten insbesondere die Marjellens Gebrauch. Schon vor dem Fest trafen sie Verabredungen und gingen

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in Gruppen vor Sonnenaufgang schweigend zur Auxinne, wuschen sich mit dem Flußwasser das Gesicht und schöpften das Osterwasser.

Sofern es gelang, das Wasser ohne eine Wort zu verlieren nach Hause zu bringen, konnten sie mit einer nachhaltigen Wirkung für Schönheit und Gesundheit im beginnenden Jahr rechnen. Bauern holten Osterwasser und besprengten damit das Vieh und die Stauungen, um Gesundheit für den Bestand zu erflehen.

Der Zauber war aber nur vom Erfolg begleitet, wenn sich alles unter absolutem Schweigen vollzog. Daran konnte jeder, der die ostpreußischen Marjellens kannte, eben nicht glauben.

Im Licht der aufgehenden Sonne konnte man das Osterlamm springen sehen. Gewiß gehörte die nötige Vorstellungsgabe dazu, denn im Bild der Sonne war immer Bewegung.

Pfingsten wurden junge Birkenbäumchen neben der Hauseingangstür aufgestellt. Spaziergänge und Ausflüge in die erwachende Natur waren bei schönem Wetter weithin

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Auf dem Weg nach Mittenwalde/Friedensfelde: Der Fußgängersteig über die Auxinne.

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geübte Selbstverständlichkeit. Auch die geliebten Verwandten wurden wieder einmal besucht und bei den Spaziergängen hatte man festgestellt, daß die Saat den Winter gut überstanden hatte.

Die Feier der Tag- und Nachtgleiche im Juni - ein uralter germanischer Brauch - war auch nach der Christianisierung in unserer Heimat erhalten geblieben. In der Johannisnacht am 24. Juni feierte man die Sonnenwende, indem ein Feuer angezündet wurde, welches Hexen und böse Geister vertreiben sollte.

Junge Burschen sprangen dabei durch die Flammen, um ihren Mut zu beweisen. Sprang ein Pärchen, konnte man damit rechnen, daß die beiden noch im selben Jahr Mann und Frau wurden. Auf der Ziehharmonika wurden Lieder gespielt, dazu sang man und tanzte im Reigen um das Feuer. Nach 1933 war dieser Brauch stark ideologisch überfrachtet und wurde ganz offiziell von der organisierten, nationalsozialistischen Jugend gefeiert.

Der Sedanstag - 2. September - sollte an die Schlacht bei Sedan im deutsch-französischen Krieg 1870/71 erinnern. Er wurde zu Zeiten unserer Großeltern sehr feierlich begangen. Die Schulen hatten aus diesem Anlaß "schulfrei".

Wie man bei uns Erntedank und Weihnachten feierte, ist bereits beschrieben. Jede Familie gestaltete das Fest im übrigen nach den ihr bekannten Überlieferungen aus.

Dann kam Sylvester und da gab es vielfältige Möglichkeiten, diesen letzten Tag des Jahres angemessen zu begehen. Im Gegensatz zu Weihnachten - dem Fest der Familie - war Sylvester das Fest der Erwachsenen: Man wurde eingeladen oder lud selbst Verwandte, Nachbarn oder Freunde zu sich nach Hause ein, um gemeinsam den letzten Tag des alten und den ersten Tag des neuen Jahres zu erwarten. Die Stimmung der Anwesenden war dabei oft maßgeblich für den Verlauf des Abends.

In der Kirche fand eine Jahresschlußandacht statt. Danach eilte ein jeder heim, um die letzte Mahlzeit des abgelaufenen Jahres in der Familie oder mit seinen Gästen einzunehmen. Lukullische Köstlichkeiten aus eigener Herstellung wie selbstgebackenes Brot, Wurst und Schinken aus der eigenen Hausschlachtung, geräucherte Gänsebrust und -schinken sowie Weißsauer standen auf dem Speiseplan.

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Für die Katermahlzeit stand während der Festtage immer eine Schüssel mit sauer eingelegten Heringen oder Rollmöpsen bereit. Auch bei der Speisekarte hatte jede Familie bestimmte Eigenheiten, die sie aus Tradition ze- lebrierte und weiter pflegte.

Die Zeit bis zur Stunde Null überbrückte man mit Gesellschaftsspielen. Die Herren spielten Skat und tranken Grog oder Punsch.

Wir jungen Leute veranstalteten auch so einiges: Wir ließen die Kohle schwimmen. Ein größeres und kleines Stück Kohle legten wir in eine wassergefüllte Waschschüssel, deren Inhalt zuvor kräftig umgerührt worden war. Nun schwammen die Kohlestückchen, eins lief dem anderen nach oder überholte es. Natürlich versinnbildlichten sie einen Jungen und ein Mädchen. Jeder von uns hatte dabei seinen eigenen Schatz vor Augen.

Äpfel wurden geschält, so daß die Schale in einem Stück blieb. Diese warfen wir über den Kopf nach hinten, um anschließend einen Buchstaben aus dem Schalenhaufen herauszulesen - es war natürlich der Anfangsbuchstabe des Namens des Verehrers.

Besonders spannend wurde es immer dann, wenn der Löffel mit dem Blei hervorgeholt wurde: In einen alten Löffel wurde ein Stückchen Blei gelegt, welches in der Glut des Herdfeuers zum Schmelzen gebracht wurde. Das flüssige Metall gössen wir dann abrupt in eine Schüssel mit Wasser. Dabei entstanden bizarre Gebilde in großer Formenvielfalt, die als Glückssymbole für das kommende Jahr gedeutet wurden.

Aus dem Stegreif führten wir Scharaden und Sketche auf. Oftmals kamen auch die Neujahrsböcke. Junge Burchen aus dem Dorf - etwa sechs bis sieben an der Zahl - hatten sich verkleidet und durch Bemalen der Gesichter unkenntlich gemacht. Ziehharmonika- und Brummtopfspieler, Bärenleider mit dem Bären, Storch, Schimmel und Schornsteinfeger galten als Glücksbringer für das Neue Jahr.

Es waren lustige Gesellen, denen man auch einen derben Scherz nicht übel nahm. Nachdem sie ihre Vorstellung gegeben hatten und angemessen entlohnt waren, zogen sie laut polternd ab zum nächsten Auftritt.

Dann kehrte wieder Ruhe in die Stube ein. Gegen

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Mitternacht entzündeten wir die Kerzen des Weihnachtsbaumes und sangen ein geistliches Danklied. Um zwölf läuteten dann die Glocken der Kirche und man wünschte sich: "Ein Gutes Neues Jahr." Man ging hinaus in die Winternacht, die Besitzer von Jagdwaffen feuerten einige Salven in die Luft, um symbolisch die bösen Geister zu vertreiben.

- Soweit der Beitrag von Magdalene Heusinger -

Die heranwachsende Jugend tat es den älteren gleich und feierte auch - aber auf ihre Weise: Lange zuvor wurde schon festgeklopft, wo die große Stube ausgeräumt wurde und wer die Musik machte. Man traf sich am vereinbarten Ort, Getränke und sonstiger Bedarf für den Abend wurde mitgebracht, und der Altjahreskehraus konnte stattfinden.

Ein grausames Ende

Nemmersdorf 1944

Hier das Ende der Geschichte unseres Dorfes, wie es mir und einigen Zeitzeugen bis zum Herbst 1944 in Erinnerung ist: Die Ostfront rückte beängstigend näher. Die Kämpfe hatten mit dem Einbruch der russischen Streitkräfte im Raum Nemmersdorf, dem Quellgebiet der Auxinne, ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Front stabilisierte sich dort kurzfristig.

Weihnachten und Neujahr 1944/45

Das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel 1944/45 verlebten die Bewohner unseres Dorfes in banger Sorge um die weitere Entwicklung der Kampfhandlungen. In der Luftlinie gemessen betrug die Entfernung bis zu den russischen Stellungen nur 30 Kilometer. Der vorherrschende Ostwind trug das Grollen der Geschütze an die Ohren der in Angst lebenden Menschen.

Trotzdem signalisierte die Partei Zuversicht und Hoffnung auf eine Wende. Die Behörden trafen keinerlei Maßnahmen zur Evakuierung der Zivilbevölkerung. Die Menschen trafen daher insgeheim und hinter dem Rücken der Obrigkeit Vorbereitungen für eine Flucht oder eventuelle Evakuierung.

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Die russische Offensive

Mit Beginn der russischen Offensive am 13. Januar 1945 um 7 Uhr begann das letzte und schmerzvollste Kapitel der Bewohner unseres Dorfes. Der bisher nur sporadisch vernehmbare Kriegslärm verstärkte sich. Militärische Bewegungen wurden deutlich erkennbar und die Nachrichten von Fronteinbrüchen ließen sich nicht mehr verheimlichen. Einzelne Bewohner setzten sich in westliche Regionen ab oder kehrten nicht mehr aus dem angeblichen Weihnachtsurlaub zurück. Um den 20. Januar begann die offizielle Evakuierung.

Aus heutiger Sicht vollzog sich die Flucht der Zivilbevölkerung auf drei Wegen. Zunächst ein kurzer Abriß über die erste - relativ glücklich verlaufene Absetzbewegung:

Flucht mit der Reichsbahn

Die Reichsbahn hatte am Bahnhof Mattenau einen Personenzug bereitgestellt, der Kinder, Frauen und nicht mehr wehrfähige Männer aus dem Einzugsbereich des Bahnhofs aufnahm. Er verließ Mattenau mit Zielrichtung Thüringen/Sachsen und erreichte Oberlungwitz am 25. Januar. Die Flüchtlinge wurden in einem Lager untergebracht und anschließend von hier aus nach Boh- len/Thüringen sowie Hohenstein-Ernsttal und Langenberg in Sachsen verteilt.

Flucht im Treck

Die zweite Fluchtbewegung vollzog sich weniger glücklich als Treck: Notdürftig mit Planen überspannte Bauernwagen - beladen mit der wichtigsten Habe und dem Bedarf von Mensch und Tier für eine lange Reise - setzten sich in Richtung Westen mit dem Ziel Danzig-Tiegenhof in Bewegung. Es herrschte strenger Winter: Menschen und Tieren wurde das Äußerste abverlangt. Verstopfte Straßen, ein viel zu später Aufbruch und zum Teil unzulängliche Ausrüstung für einen derartigen Treck waren die Ursachen, die zum Scheitern dieser Absetzbewegung führten.
So wurden die Treckfahrzeuge von den feindlichen Truppen eingeholt und überrollt. Das Chaos war perfekt: Die Menschen waren brutalen Pressionen ausgesetzt und feindlicher Willkür preisgegeben. Verschleppung nach Sibi-

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rien, Tötung bei Protest oder Widerstand gegen die Zwangsmaßnahmen der Russen waren sofortige Folge. Nur einigen wenigen gelang es, auf verschlungenen Wegen zurück nach Schulzenhof zu kommen.

Für diese Menschen begann ein Leben in steter Gefahr. Doch solange noch Vieh vorhanden und Vorräte auffindbar waren, litten sie wenigstens keinen Mangel bei der Ernährung. Die Ausweisung dieser Personen, soweit sie die russische Besatzung überstanden hatte, geschah 1948, und zwar in die russisch besetzte Zone der späteren DDR.

Auf diesem Wege gelangte neben anderen Stellmachermeister Gustav Naudßus nach Ronneburg/ Thüringen. Seine damaligen Berichte über unser Heimatdorf waren wenig ermutigend und ließen die Hoffnung auf eine baldige Heimkehr in weite Ferne rücken.

Flucht zu Fuß

Die dritte und letzte Fluchtbewegung vollzog sich nachdem kämpfende Truppen in das Dorf einrückten. Die Truppenführung forderte diese letzten Zivilisten - Männer des Dorfes, die den Auftrag hatten, das zurückgelassene Vieh zu versorgen - auf, das Kampfgebiet zu verlassen. Ein Trupp von sechs Männern verließ Schulzenhof daraufhin in der Nacht zum 23. Januar 1945 zu Fuß durch den Wald und die für die Russen unzugänglichen Bruchgebiete über Astrawischken in Richtung Gerdauen. Ihr Ziel war Danzig-Tiegenhof, wo sie die treckenden Bewohner des Dorfes vorzufinden hofften - eine Illusion, wie sich herausstellte.

Realität und vages Hoffen

Abschließend ist festzuhalten, daß die Würdigung dieser letzten Episode unseres Gemeinwesens im Rahmen dieser Aufzeichnung wesentlich zu kurz gekommen ist. 25 Jahre früher wäre eine weiter ins Detail gehende und mit authentischen Berichten noch lebender Augenzeugen zu untermauernde Darstellung besser möglich gewesen.

Heute im Jahre 1992 ist dies Unterfangen bei schwindendem Erinnerungsvermögen und wenigen noch lebenden Schulzenhöfer sehr mühsam geworden.

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48 Jahre nach der Vertreibung ist ein Besuch der Heimat, die nicht mehr unsere Heimat ist, wieder möglich geworden. Ehemalige Dorfbewohner, die dies getan haben, konnten kaum erfreuliches berichten.

Ein Leben in unserem Geburtsort ist für mich nicht vorstellbar und es erscheint mir auch nicht mehr erstrebenswert. Aufgrund der Berichte dürfen wir aber zumindest hoffen, daß es für den nördlichen Teil Ostpreußens - also der russischen Enklave - wieder eine Zukunft mit von Deutschen geprägter Kultur geben wird. Hoffen wir, daß dort die deutsche Sprache - wohl von anderen Deutschen aus der Wolga-Region und aus Kasachstan - wieder gesprochen wird und deutsche Kultur, wie sie in fast 800 Jahren dort gewachsen ist, wieder neu entstehen möge.

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